Den Palazzo mit anderen Augen sehen (+EN Podcast)

Photo: Unsplash

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Todays Broken English Podcast:

 
 

Früher, wenn wir im Tessin im Urlaub waren, als ich noch Kind war, gab es Tage an denen wir gewandert sind und Tage an denen wir mit dem Postbus erschreckend enge Straßen an beängstigend tiefen Schluchten entlang in die Stadt gefahren sind. Statt  in den engen Haarnadelkurven zu bremsen wurde gehupt. Ein Highlight war jedesmal wieder, wenn der Bus an der Staumauer vorbei kam.

In Locarno angekommen haben wir dann unser Taschengeld bei unseren Eltern in Lire umgetauscht und waren plötzlich steinreich!

Ich fand diese Armbänder toll, die viele verschiedene kleine Wappen als Anhänger hatten und die Bleistifte aus den Souvenirläden.

Zu jedem dieser Ausflüge in die Stadt gehörte auch ein Besuch in einem Café, nachdem meine Mutter einen Stapel Postkarten gekauft hatte.

In Locarno erinnere ich mich an schattige Arkaden, in denen Tische mit Stofftischdecken standen, die einen Metallring übergestülpt hatten, damit die Tischdecke nicht wegflog. Wir Kinder saßen auf zu großen Stühlen, sogen unsere Limonade durch den Strohhalm und warteten darauf, unsere Unterschrift unter die Karten zu setzen, die meine Mutter reihenweise beschrieben hatte.

Die auf denen wir unterschrieben waren für unsere Süße Oma und Oma Margot und Opa Ernst. Vielleicht haben auch noch Tanten und Onkel welche bekommen, das weiß ich nicht mehr.

Zu jedem Urlaub gehört für mich seit dem das Schreiben von Postkarten unbedingt dazu, sonst ist es für mich kein Urlaub, digitales Zeitalter hin oder her.

Als ich jetzt hier auf der Piazza saß und Postkarten schrieb, habe ich immer wieder gedacht, wie schade es ist, dass ich den dreien keine Postkarten mehr schreiben kann.

Ich mochte auch gerne die kleinen Schokoladentäfelchen mit den verschiedenen Bildchen von Sehenswürdigkeiten drauf, und ich nahm immer den Würfelzucker aus den Restaurants und Cafés mit, die damals noch individuell bedruckt waren mit den Namen oder Bildern der Lokale. Meine Süße Oma hatte eine ganze Sammlung dieser Würfelzucker.

Was nehme ich mir jetzt mit aus Florenz? Ich war auf der Suche, ob es die Armbänder noch gibt. Aber leider habe ich sie nicht gefunden.

Es wird wohl der Eiswürfelbehälter werden, den ich neulich gekauft habe, weil es in der Wohnung keinen gab. Und ein Paket Wäscheklammern, die ich im Supermarkt entdeckt habe. Hier in Italien hat man super große Wäscheklammern, wahrscheinlich weil die mehr halten müssen als unsere deutschen Hobbywäscheklammern, wo es irgendwie ja auch egal ist, wenn mal was runtergeht, weil es ja nur auf dem heimischen Rasen landet, statt am anderen Ende der Stadt oder beim mürrischen Nachbarn auf dem Balkon.

Ich erinnere mich noch an einen Ausflug mit dem Schiff auf den Lago Maggiore. Wir sind zu einem Schloss auf einer Insel gefahren. Ich war damals wahrscheinlich so 10 Jahre alt. Es gab dort einen großen bunten Garten, mindestens eine Grotte und die tollen Zimmer in dem Schloss mit riesigen Fenstern, die über den See blickten.

Daran musste ich heute wieder denken, als ich meinen Ausflug zum Palazzo Pitti plante. Auf einmal merkte ich, wie ich mich richtig darauf freute, mir das Schloss anzuschauen. Ich bin zuerst vom Seiteneingang in den Boboli Garten gegangen und habe mir den Teil angeschaut, den ich bislang noch nicht erkundet hatte. Rosen vor Steinmauern, geheimnisvolle Holztüren, Gewächshäuser, Blumenbeete, die aussehen wie ein gepflanzter Blumenstrauß. Meterhohe Steinmauern, Zypressen, Kieswege und erstaunlich wenig Menschen!

Anschließend habe ich eine kleine Pause im Café gemacht, um mich von der Hitze zu erholen, bevor es für mich weiter in den Palazzo ging.

Ich weiß nicht, womit ich gerechnet hatte. Wahrscheinlich hatte ich mir gar keine großen Gedanken gemacht, was ich in dem Palazzo vorfinden würde und deshalb hat es mich auch so überrascht: Kronleuchter, Fensterläden und all dien kleine Features wie Wandbemalungen, Türgiffe, Gardienenschlaufenhalter, Deckenverkleidungen! Was für eine Freude, und was für ein Foto-Schlaraffenland!

Schon auf dem Hinweg zum Boboli Garten hatte ich ein Thema für die 300 m von meiner Wohnung zum Garten gefunden: Messing Türgriffe! Damit könnte man ganz Bildbände füllen - so schöne Motive.

Wie neulich in den Uffizien habe ich auch hier aus dem Problem, dass ich die eigentlichen Attraktionen gar nicht sehen kann zur Tugend gemacht: Nicht die Bilder waren für der Hingucker, sondern ich habe plötzlich entdeckt, was für wunderschöne Rahmen die Bilder schmückten! Ich finde die Fotoserie ganz wunderbar, die ich geschossen habe und hätte große Lust, eine (fast) vollständige Sammlung der Bilderrahmen des Palazzo anzulegen. Aber vielleicht reicht das auch schon aus.

Außerdem wurde meine Passion für Fenster und Fensterläden genährt: Mit im Wind wehenden Gardinen, Vorhangfransen, die vom Sonnenlicht beschienen in einer kühlen Brise hin und her tanzen.

Diese wundervollen Kronleuchter in den unterschiedlichsten Arten. Hätte ich mich getraut, mich auf den Boden zu legen, wären noch ganz andere, sehr viel aussagekräftigere Fotos entstanden!

Die Wandbemalungen, die, zumindest für mein Auge, täuschend echt aussahen, so das ich ganz nah ran treten musste, um festzustellen, dass es tatsächlich nur 2D ist. Ich wäre sehr froh, wenn mir das jemand in mein Zimmer malen könnte! (Anyone?)

Dieser Wunsch, diesen Ort komplett zu erleben, alles zu sehen und alles zu würdigen. Es scheint mir so eine Verschwendung zu sein, all diese unbeachteten Schönheiten, all diese wundervollen Kleinigkeiten, die entdeckt, gesehen werden wollen.

Aber das ist wohl das gleiche Thema wie gestern: Ich werde nie alle Bücher lesen können, die in den Hamburger Bücherhallen zum Thema Buddhismus stehen. Es gilt Prioritäten zu setzen, hier wie überall!

Es ist bereits 20:30 Uhr und ich sitze noch vor einem vollen Campari Soda, den ich mir mit Mineralwasser strecke. Ich bin heute in einem anderen Lokal und das Wasser, das ich bestellt habe ist ein großes, nicht wie ich gehofft hatte klein. Also werde ich hier wohl noch einen Augenblick sitzen. Es ist abgekühlt, so dass ich mich schon fast nach einer Jacke oder einem Umhängetuch sehne. Was für ein Genuss nach wieder einem Tag mit 29 Grad.

Nachdem ich neulich geschrieben hatte, wie wunderbar es ist, sich über Wetter keine Gedanken zu machen, ist für die nächsten Tage Gewitter angesagt. Das ist mal was Neues, seit ich hier angekommen bin, war nur Sonne und heißes Wetter.

Innehalten … Die Glocken von Santo Spirito läuten (abends um 20:30 Uhr!? - that is Italy for you :-) Gerade setzen sich Anden Nebentisch acht ItalienerInnen, wovon zwei maximal 10 Jahre alt sind - heute ist Sonntag! Die müssen doch morgen in die Schule! (That is Italy for you!)

Heute war Markt auf dem Santo Spirito, wie eigentlich jeden Tag, nur dass er jeden Tag irgendwie anders ist. Was für ein schönes Konzept. Heute gab es Hüte, afrikanische Holzschnitzkunst, Haarbänder (I got one), Keramik (konnte gerade noch widerstehen mir eine neue Teetasse zu kaufen), Schallplatten, Second Hand Klamotten, usw.

Jetzt wird am Nebentisch Pizza gegessen und es duftet ganz verführerisch! Ich will morgen auch Pizza essen!

Morgen ist Montag, und wenn ich das richtig überblicke haben die Museen morgen geschlossen. Vielleicht, da es morgen noch trocken bleiben soll, werde ich noch mal in den Bardini Garten gehen, oder so … Mal sehen.

Es ist wirklich schade, dass ich schon auf dem Weg hierher mein Eis hatte: Limone&Minze und Erdbeer. Für 3€ bekommt man die kleinste Portion und darf sich zwei Geschmacksrichtungen aussuchen und dann halt mit einer glutenfreien Eiswaffel - so lecker!

Dieser Urlaub hat für mich wirklich viel mit Essen und Kunst zu tun. Mit Genuss und Schönheit, mit Leichtigkeit und Lebensfreude, mit … 20:45 Uhr: und wieder Läuten die Glocken von Santo Spirito. Der ganze Platz ist erfüllt von dem Läuten. Die zwei Kinder vom Nebentisch rennen durch den dämmrig werdenden Platz auf dem die Händler ihre Stände abbauen und spielen Kriegen. Die Menschen am Nebentisch sind übrigens italienisch & deutsch - Da gehen sie hin, meine Vorurteile!

Ich denke, es wird langsam Zeit für mich zu gehen. Das war wirklich ein schöner Platz zum Schreiben. Ich glaube hier werde ich wieder herkommen.

Nun wünsche ich Dir eine gute Nacht, einen guten Morgen oder einen guten Tag!

Ich freue mich immer noch, dass Du mich begleitest - schön, dass Du mit mir in Florenz bist!

Liebe Grüße

Deine Katrin

P. S. Jetzt ist es 21 Uhr und Santo Spirito bimmelt schon wieder!

 
 
 
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