Über Kröten Küssen, einen Seerosenteich und meinen Traum vom Zuhör Café

Photo by Ravi Sharma on Unsplash

Kreativ-Explosion

Ein paar mal im Jahr passiert es, dann werde ich Opfer einer meiner “Kreativ-Explosionen”.

Dieser, von mir oft als sehr gewaltsame Eruption empfundene Ausbruch von Kreativität dauert erfahrungsgemäß einige Tage. Das sind sehr anstrengende Tage, sowohl für mich als auch für alle in meinem Umfeld.

Ich bin dann nur noch Kopf, nur noch Inspiration, nur noch Träume und Visionen. Ich vergesse in diesen Tagen oft meine körperlichen Bedüfnisse, arbeite verbissen stundenlang am Computer ohne auf genügend Bewegung, Essen, Trinken oder ähnliches zu achten. Wenn jemand etwas von mir will, reagiere ich angespannt, da ich ihn oder sie als ZeitdiebIn betrachte. Für mich ist es wie eine Sucht, wie ein Strudel, in den ich von meiner Inspiration, von meiner Kreativität gezogen werde.

Wenn es mir an den “normalen Tagen” schwerfällt, auf Pausen zu achten, die ich der Selbstfürsorge widme, so ist es mir an den Tagen der “Kreativ-Explosion” komplett unmöglich! Und gnade derjenigen/demjenigen, die/der mich dann daran erinnert, "doch mal an die frische Luft zu gehen” oder etwas zu Essen oder sich um etwas anderes zu kümmern. Dann werde ich unwirsch, aber richtig!

Gerade war ich wieder einer solchen Explosion ausgesetzt.

In den vergangenen Jahren konnte ich mehr und mehr üben, ruhig zu bleiben, aber schon alleine meine tägliche Routine der mir wichtigen Dinge plus solcher Selbstverständlichkeiten wie Anziehen und Frühstücken ist dann nahezu unmöglich für mich und bedarf einer ungeheuren Disziplin.

In den letzten Tagen hat sich etwas verändert: Ich habe den Begriff Explosion durch den Begriff Feuerwerk ersetzt. Mir war es gelungen, diese Eruption als etwas Kostbares anzunehmen, was es ja auch absolut ist! Wenn ich zurückdenke, was aus solchen Tagen schon alles hervorgegangen ist, dann bin ich sogar sehr dankbar für diese Ausbrüche.

Ich habe mir in den vergangenen Tagen erlaubt von meiner Tagesroutine abzuweichen und habe begonnen, diese Feuerwerkstage als etwas Besonderes, als eine Ausnahme zu werten. Vielleicht so wie eine Reihe von “Feiertagen”, an denen sich meine Kreativität explosionsartig als Feuerwerk ihren Weg bahnt.

Ich habe mir überlegt, dass ich mir an diesen besonderen Tagen Dinge erlauben möchte, die mir nicht gut täten, wenn ich sie auch noch an allen anderen Tagen im Jahr tun würde.

Während dieser (noch andauernden) Feiertage übe ich aktuell, in mich hineinzuhorchen, was mir gerade widerstrebt, was ich gerade nicht annehmen kann, was ich nicht akzeptieren kann. Was ist es, was mir missfällt?

Diesen Dingen gegenüber versuche ich dann eine akzeptierende Haltung einzunehmen: Für all das, was ich an diesen Feiertagen zu brauchen scheine: Viel Zeit für mich, keine Störungen, eine Art “Essen auf Rädern”, nicht anziehen müssen und überhaupt: Keine Verpflichtungen!

In diesen Tagen leide ich aber auch unter diesem Suchtfaktor: Darunter, dass ich mich getrieben fühle und ich weder tags noch nachts Entspannung finde oder Abschalten kann. Ich hänge dann fest, bin verbissen und meine Kreativität sucht sich einen Weg, wie sie Ausdruck findet.

Früher brauchte ich an den “Explosionstagen” VIEL Papier und einen extra dicken Faserschreiber. Ich habe in 2019 in mehreren solcher Phasen, einen ganzen Ordner mit den Ideen zu einem Kurskonzept gefüllt. Einige dieser Ideen finden sich auch hier im GARTEN wieder. Die Kursideen sind auch immer noch sehr präsent in meinem Kopf und drängen darauf “gelebt zu werden”.

2020 entstand das “wertschätzCHen N° 1” und das erste “wertschätzCHen Audio”: “Winterspaziergang xmas special”, 2021 entstand dann der “Urlaub für die Sinne” mit eigenem Fotobuch und zu Weihnachten der Adventskalender 2021 sowie der Audio-Winterspaziergang und zum Jahresende Startete das Bedürfnis JA!, samt Fotobuch dazu. In 2022 kam das “wertschätzchen LIVE”, das Projekt “Mein Mai in Florenz” mit dem Florenz Blog dazu und die “genussvoll glutenfrei Tagestouren”. Und die Liste ist wahrscheinlich noch nicht einmal vollstädnig.

Ich möchte damit sagen, dass ich allen Grund habe für diese so “unangenehmen Tage” dankbar zu sein und ihnen gegenüber eine wertschätzende Haltung einzuüben möchte. Neulich hatte ich auch den Gedanken, dass mich diese Tage an einen Geburtsprozess erinnern, bei dem die Qual auch reich belohnt wird. Ich empfinde es in ähnlichem Maße anstrengend und quälend :-)

In 2021 hat sich auch die Idee des Zuhör-Kiosks ihren Weg gebahnt. Ich hatte eigentlich geglaubt, dass ich “das Projekt” schon begraben hatte, als es jetzt die Tage wieder “nach oben kam”.

DER SEEROSENTEICH

Heute Morgen hat sich die Idee des “Feuerwerks” noch einmal verändert: Es tauchte das Bild eines Seerosenteichs auf.

Thich Nhat Hanh hat einen Satz in mir geprägt, der da heißt “No mud, no lotus”. Nur in einem Teich, in dem es ordentlich Modder gibt können Seerosen blühen. Der Modder, so verstehe ich es, steht für die schwierigen Situationen im Leben. Aus diesen Problemen erwachsen dann die Seerosen.

Mir fehlt leider jegliches botanische Wissen über Seerosen, und ich habe gerade auch keine Lust darüber zu recherchieren, aber ich glaube, dass sie bereits einen langen Weg unter Wasser “zurückgelegt haben”, bevor sich die Knospe an der Wasseroberfläche im Sonnenlicht entfalten kann.

Wenn ich nun also mit dem Bild von dem Seerosenteich im Kopf mein Kreativ-Feuerwerk durchlebe, lautet die Analogie wie folgt:

Die Herausforderungen, Belastungen, Probleme, sprich die Scheiße des Lebens, landet in unserem Lebensteich und sinkt langsam zum Grund. Hier ist sie Dünger für die Seelen-Samen. Die Samen der Seerosen, die dort liegen, gedeihen und sprießen und wachsen langsam und stetig. Einige wachsen schneller, andere langsamer, bis sie eines Tages die Wasseroberfläche erreichen und erblühen.

Manche der Seerosenstengel sind vertüddelt und an diesen Tagen der Kreativ-Eruption, wird mein Lebensteich erschüttert und einige der “Stengelknoten” lösen sich, so dass gleich mehrere Blüten gleichzeitig das Licht des Tages erblicken.

Die Seerosenblüten, die auf dem Teich schwimmen stehen in dieser Analogie für das, was jede und jeder von uns an Wertvollem hervorzubringen vermag und nur durch ihren oder seinen individuellen Schatz in die Welt gelangen kann.

Früher hatte ich Angst, dass meine Ideen verloren gehen, ich sie vergesse. Heute gefällt mir das Bild, dass die Ideen, die vielleicht noch reifen müssen, wie die kleinen Knospen der Seerosen sanft auf der Wasseroberfläche treiben und nichts verloren geht.

Selbst wenn sie verblüht, werden ihre Samen zu Boden sinken und es werden sich neue Pflanzen bilden, die zu ihrer Zeit an die Oberfläche kommen. Ich darf vertrauen, dass sich alles fügen wird. Das gibt mir Ruhe.

Ich glaube ganz fest daran, dass wirklich JEDE und JEDER einen solchen Schatz besitzt und das es unsere Aufgabe ist, auf unser Herz zu hören, unsere Seele zu befreien und unseren Seerosen Beachtung zu schenken.

Ich kann mich fragen: Kannst Du Deine Seerosen sehen? Was ist es, dass nur durch Dich in die Welt kommt? Womit bereicherst Du wie Welt und die Menschen um Dich herum? Wofür brennt Dein Herz? Wonach sehnt sich Deine Seele?

Kröten küssen

Ich habe jedoch von mir das Bild, dass ich nicht zielstrebig genug bin. Ich glaube von mir, dass ich Angst habe, mir Ziele zu setzen, weil ich dann aktiv werden muss, weil ich dann versagen kann, was ich nicht will.

Ich will mich nicht schlecht, unwohl fühlen.

In meiner Zeit als Schulsekretärin habe ich mal eine Fortbildung besucht, in der die Trainerin den Rat gab, die Kröten, also unliebsame Aufgaben, nicht vor sich herzuschieben, sondern gleich als erstes zu Arbeitsbeginn zu schlucken. Das spart Energie und man kann dann direkt die Dopamin - oder war es Endorphinausschüttung genießen. Ich fand das toll und habe es bis heute nicht vergessen und … nie gemacht!

Bis heute noch bin ich eine Aufschieberin, eine Prokrastinatorin und manche Dinge gehe ich halt gar nicht an, weil ich sie mir nicht zutraue, weil ich Angst habe, weil ich befürchte, weil ich “vorannehme”, dass es unangenehm werden könnte. Dann lieber gleich bleiben lassen.

Und hast Du auch schon mal die Erfahrung gemacht, dass es dann doch gar nicht so fürchterlich ist, wenn man sich dann doch mal um die Pay back Aktion der Telekom kümmert oder seine Finanzen ordnet? Hast Du es schon erlebt, dass es viel leichter, schneller, einfacher ist, als Du es Dir vorgestellt hast?

Die Kröte muss nämlich gar nicht geschluckt werden, (was wäre da auch der Sinn, und ecklig ist es sowieso), sie will GEKÜSST WERDEN, so dass sie sich verwandeln darf!

In was sie sich verwandelt, erfährt man erst, wenn man sie geküsst hat, also die unliebsame Aufgabe angenommen hat. Die Aufgabe enthält etwas Wunderbares, das uns wachsen lässt.

Wenn ich mit diesem Bild im Kopf auf meine Träume gucke, dann habe ich vielleicht nicht mehr so viel Angst, sie zu meinen Zielen zu erklären.

Mein Traum vom Zuhör Kiosk

Auf jeden Fall ist die Rose, die bei meinem letzten Kreativ-Erdbeben ans Sonnenlicht gekommen ist eine, die ein Ableger des Zuhörkiosks ist. Diese Seerose ist verbunden mit vielen anderen Seerosen, die bereits auf meinem Teich blühen.

Ich habe noch keine Ahnung, wohin mich mein Lebensweg führt. Oder doch? Vielleicht traue ich mich auch nur nicht, es auszusprechen, weil es dann von einem Traum zu einem Ziel werden könnte?

Darf ich überhaupt so “hochtrabende Ziele” haben? Ist das nicht “zu viel” für mich? Zu schwierig? Bin ich nicht viel zu klein?

Wahrscheinlich ist es so wie mein Monat in Florenz: Es geht darum hinzuspüren, was für Ängste, Befürchtungen, Vorannahmen (mein neues Lieblingswort) da sind. Es geht darum sich diese anzugucken, um Ideen zu sammeln, wie ich mit ihnen umgehen kann, wo ich Hilfe brauche, mit wem ich mich verbinden kann und so weiter.

Ich glaube aber, dass mir das Bild vom KRÖTEN KÜSSEN und die Idee, dass das Ziel vielleicht gar nicht ist, das ich mich immer im Leben wohlfühlen muss weiterhelfen könnte, mich den Realitäten mutig zu stellen.

Vielleicht geht es in meiner zweiten Lebenshälfte (ja, ich habe vor 106 zu werden!) darum, zu entdecken, dass es sich “für etwas Größeres” lohnt, auch mal aus der “comfort zone” (Wohlfühlzone) in die Zone der Herausforderung (challenge zone) zu treten, um “korrigierende Erfahrungen” (mein neuer Lieblingsbegriff - Grüsse an Anja) zu sammeln, um zu entdecken, in was sich die Kröte verwandelt, wenn ich sie küsse.

Vielleicht kann ich ja auch einen Blog schreiben über meinen Traum vom Zuhörkiosk und wie er sich in meiner Fantasie vom Kiosk zum wertschätzCHen (Zuhör)Café verwandelt und wie er sich vielleicht zu einem Ziel entwickelt und wie ich beim Einen scheitere und bei Anderen erfolgreich bin. Wie der Traum vielleicht Realität wird oder wie eine Seifenblase zerplatzt.

… Vielleicht kann ich Dich bitten, mich zu begleiten?

Vielleicht bin ich dann mutiger, so wie ich in Florenz mutiger war mit Dir an meiner Seite … hmmm - Ich werde da mal drüber nachdenken.

Nun dürfen wir alle mal gespannt sein, welche Blüten mein Feuerwerk diesmal trägt. Ich bin auch gespannt!

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