Von GEBORGENHEIT & “Überwintern”

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Diese Woche ist das Bedürfnis “Geborgenheit” im Bedürfnis Ja! dran und ich habe Gelegenheit bekommen, aus einem anderen Blickwinkel auf dieses Bedürfnis zu blicken:
Nachdem ich im vergangenen Jahr viele Monate der Unbeschwertheit erleben durfte, was mein Rheuma angeht, erlebe ich zur Zeitgerade ein Wiederaufflammen. Die emotionale Resonanz ist Frustration, Angst, Ablehnung, Hilflosigkeit, Aggression und Traurigkeit.
Ich hatte die Möglichkeit an einen gut versteckten Glaubenssatz zu kommen: “Wenn ich ganz viel an meiner mentalen Gesundheit arbeite und Achtsamkeit, Meditation und Selbstfürsorge lebe, dann kann ich im Laufe der Jahre meine Medikamente absetzen und meine Symptomatik wird verfliegen.”

Und nun das: Da waren sie wieder alle: All die Symptome, die ich doch 2018 schon hatte und die Blutwerte wieder schlechter und alles fühlt sich “rückschrittig” an. Ein Gedanke von “Ich habe alles falsch gemacht, sonst wären die Symptome nicht wiedergekommen.” Krankheit als Strafe!?!

Ich bin schon alleine deshalb sehr dankbar, weil ich diesen Glaubenssatz ent*deckt habe!
Außerdem noch die damit verbundenen Gefühle so klar und deutlich zu spüren und benennen zu können, ist für mich ein echter Gewinn! Es ermöglicht mir, nach einigen Tagen im Gefühlssumpf mich um sie zu kümmern. Heute bin ich das erste Mal wieder in der Lage, an “meine Geborgenheit” als Ressource zu kommen, indem ich mich erinnern kann, welches für mich Strategien sind, die mich mit dem Bedürfnis verbinden und ich so Heilung erfahren kann.

Tee: Eine große Kanne Tee auf einem Stövchen, das Teelicht flackert sanft.

Gemeinschaft: Digitaler und analoger Austausch mit lieben Menschen macht mir das Eintauchen in andere (Gefühls-) Welten möglich. Geborgenheit durch das Gefühl von “angenommen fühlen”, obwohl ich nicht “lustig und leicht bin” sondern, frustriert, ängstlich, gereizt, hilflos.

Essen: Eine ganz starke Verbindung besteht bei mir zwischen Essen und Geborgenheit. (Süßes) Essen und Trinken, wenn es mir nicht gut geht, ist so stark verknüpft, dass es bei mir extreme Reaktionen auslöst, wenn ich mir selbst, meine Glutenunverträglichkeit oder aber andere mir den Zugang zu dieser Strategie verwehren.
Es gibt wenige Themen, die bei mir so starke Gefühle von ausgeschlossen sein und Einsamkeit hervorrufen. Süßigkeiten als Strategie um Geborgenheit zu nähren, wenn es mir gesundheitlich nicht gut geht ist nur leider kontraproduktiv, da es die Entzündungen in meinem Körper anheizt. Also gilt es für mich nach anderen Strategien zu forschen.

um Umarmungen bitten: Irgendwie habe ich das Gefühl, ich muss immer Strategien finden, die ich mir alleine erfüllen kann. Wahrscheinlich, weil es mich so fasziniert, wenn ich spüre, was man alles für sich selbst tun kann. Aber irgendwann kommt Mensch eben an den Punkt, wo es gilt zu lernen, wie man um etwas bittet. Und es empfiehlt sich glaube ich, das besser früher zu lernen, als später. Mensch ist nicht in der Lage, autark zu leben, so sehr wir uns das im Zeitalter des Individualismus auch wünschen, aber es funktioniert einfach nicht - Wir kommen alleine nicht klar.
Einerseits finde ich diesen Gedanken angsteinflößend, andererseits hat der Gedanke aber auch etwas Wunderschönes, denn er verbindet uns in dieser Unfähigkeit.
Wir sind auf andere angewiesen, wir sind vernetzt. Unser Tun, Handeln, Reden und Denken beeinflusst unser Zusammensein, so dass ein Gefühl von Verbundenheit, von Gemeinschaft entstehen kann.
Nun verirre ich mich leicht in dem Gedanken, dass nur die “Leistungsfähigen” in der Lage sind zu unterstützen. Aber es lohnt sich weiterzudenken: Ist es nicht so, dass JEDER und JEDE in diesem Netz des Menschsein seine ganz eigene, individuelle Wirksamkeit hat, die die Gemeinschaft berreichert?
Da geht es nicht um LeistungsträgerInnen versus LoserInnen. Hier geht es wieder einmal darum, sich bewusst zu werden, dass Mensch etwas zu geben hat - Jeder, jeder ist wirksam, auch wenn es noch so klein scheint, noch so unbedeutend: Wir alle machen einen Unterschied, immer.

Heute habe ich es geschafft zu bitten und ich habe es geschafft, mich an Dinge zu erinnern, die mich versorgen mit Geborgenheit, Fürsorge, Unterstützung, Liebe, Kontrolle uvm.

Ich durfte in dieser Woche ein neues Kapitel aufschlagen: Ich durfte lernen, dass ich darauf vertrauen kann, dass ich Ressourcen besitze, die mich nähren und heilen können. Ich habe gelernt, dass ich mich anvertrauen darf, mich verwundbar zeigen darf. Und, dass es auch Selbstfürsorge und Selbstwirksamkeit bedeutet, wenn ich andere bitte, mich zu versorgen.

Es fällt mir immer wieder schwer, diese Zeiten des Leidens anzunehmen, all dass anzuerkennen, was sich an Gefühlen und Gedanken in ihnen verbirgt.
Und dennoch scheint es so zu sein, dass das der Lernstoff ist, der Leben bedeutet und mich stärker werden lässt. Der Lernstoff, der mir mit den Jahren mehr und mehr Gelassenheit, Vertrauen, Frieden schenken kann.

Leiden gehört zum Leben dazu, vielleicht sogar noch mehr: Vielleicht ist es das, was dem Leben Tiefe und Bedeutung gibt.

Wenn mir Leiden im Leben begegnet, möchte ich mich daran erinnern innezuhalten, um es zu spüren. Nicht aus masochistischen Gründen, sondern, weil meine Gefühle mir einen Weg aufzeigen zu den Hilfsmitteln, die es mir erlauben, das Leiden durchzustehen und auf der anderen Seite gestärkt herauszutreten.

Ich möchte Akzeptanz für diese Leidensphasen entwickeln und die Wichtigkeit erkennen, sich in dieser Zeit allem zu öffnen, indem ich innehalte und erkenne, was es zu versorgen gilt.

Zur Zeit gibt es beim “BBC Sounds” eine Lesung des Buchs “Wintering” von Katherine May (englisch).

Zu deutsch heißt es Überwintern. Die britische Autorin erteilte mir die Absolution innezuhalten. Sie beschreibt, dass diese Phasen ein wichtiger Teil des Auf und Ab des Lebens und Leben eben keinen linearen Verlauf bedeutet, wie “Frühling, Sommer, Herbst, Winter, Schluss!”. Das Buch verdeutlicht, dass wir uns auf die Winter im Leben vorbereiten können und das danach wieder der Frühling kommt.

Herzlichst

Eure Katrin x.

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