DER GARTEN

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Langsam, langsamer und noch langsamer ..

Photo: Unsplash

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Interessanterweise war es mein Blindenstock-Trainer, mit dem ich darüber sprach, wie wichtig es ist, eins nach dem anderen zu tun. Hier ging es darum, sich beimTreppensteigen Zeit zu nehmen, um die gerade erlernte, noch sehr theoretische Technik anzuwenden - Schritt für Schritt.

Um nicht überhastet einen Fehler zu machen und eine Stufe am Ende der Treppe zu „übersehen“ braucht es Bewusst*sein. Es geht darum sich zu erlauben langsamer zu werden, und auch darum, es aushalten zu können, langsamer zu sein als andere. Es geht darum sein eigenes Tempo zu finden.

Hier in Florenz ist es genau das gleiche: Es geht darum mein eigenes Tempo zu finden. Morgen am Donnerstag bin ich genau zwei Wochen hier und habe Halbzeit. Ich habe noch nicht das Gefühl, mein eigenes Tempo gefunden zu haben. Ich fühle mich irgendwie immer noch getrieben, wenngleich es auch etwas weniger zu werden scheint.

Aber ich habe das sehr quälende Gefühl, dass alles an mir vorüberzieht und ich irgendwann zu Hause in meinem Bett aufwache und alles nur noch eine verblasste Erinnerung ist. Ich habe wen Wunsch alles bewusster zu erleben. Ist das vielleicht der Faktor, der eher Stress macht, als Entspannung bringt?

Ich möchte auf jeden Fall weiter üben. Immer mehr nur ein Ding machen, mein Ding machen und alle Sinne für diese eine Sache öffnen.

Wenn ich schreibe, hilft es mir das bewusster zu erleben. Jetzt hier sitze ich auf der Piazza Santo Spirito (Ja, genau mit aufgeklapptem Notebook - total cool!) und um mich herum tobt das Leben.

Es ist 18 Uhr und es wird immer lebendiger und auch lauter. Immer mehr Menschen trudeln zum Aperitif ein. Der Sommerabend beginnt. Es sind ca. 28 Grad und obwohl es ein Wochentag ist, wirkt es hier wie der Start in ein Wochenende. Die Temperatur hier im Schatten ist wie ein Streicheln auf der Haut, und ich genieße es, genau das richtige Kleid für die Temperatur gefunden zu haben, das so angenehm in der leichten Brise um meine Beine weht.

Auf meinen Lippen kleben noch die süßen Reste des ersten Campari Soda. Nur jetzt hier sein. Nichts anderes zu tun haben, als diesen Moment mit allen Sinnen aufzuheben.  Okay, was ist noch da? Sehen: Die Bäume, die die Platzmitte umsäumen sind bereits dunkelgrün, als wäre nie Winter gewesen.

Am Himmel kreisen wieder die Schwalben, aber zu hören sind sie wegen des Trubels nur selten. Eben schritten eine Tabe und ein kleiner Spatz dicht nebeneinander auf der Suche nach Brotkrumen über den Fußweg neben mir.

In den Straßencaffès sind nun wohl fast alle Plätze besetzt und der Wind frischt zwischenzeitlich auf, was eine angenehme Erfrischung bringt.

Die Kirche Santo Spirito ist eines der letzten Gebäude auf der Piazza, die in der Sonne strahlen.

Immer wieder überkommen mich Gefühlswellen von: So, jetzt solltest Du aber gehen, Du gehörst hier nicht hin. Dann wieder eine Welle von: Guck, wie selbstverständlich Du hier sitzt! Das ist doch das, was Du so gerne wolltest. Eine Welle von Einsamkeit wird von einer Welle von Selbstbestimmtheit abgelöst.

Gerade kam der 2. Campari Soda mit einem Bon, der 1€ teurer ausweist, als der vorherige - Das macht eine neue Welle von Gefühlen.

Langsamer mache. Eigentlich heißt das für mich zu üben, nur eine Sache zur Zeit zu machen. Nur Schreiben, nur Trinken, nur Schauen, nur Fühlen innen und außen. Es ist sehr schwierig, aber es scheint mir zu helfen.

Als ich vorhin die Wohnung verlassen habe, habe ich mal alles der Reihe nach gemacht und es war so bereichernd sich nur auf ein Ding zu konzentrieren und dies tatsächlich bewusst wahrzunehmen.

Es scheint mir das übertriebene Tempo aus meinem Leben zu nehmen. Ich habe keine Ahnung, ob das überhaupt realistisch ist, das für mehr als 20 Sekunden „durchzuhalten“, aber ich möchte es üben.

Ich habe die Hoffnung mehr zu erleben, in dem ich es nacheinander erlebe.

Riechen: Vorhin war der Geruch von Heinecken ganz dominant, als die Jungs am Nebentisch ihre Getränke öffneten. Nun ist es der Geruch von Haschisch, der die Luft dominiert. Ein anderer Geruch, der „Italien ist“, ist der Geruch von chlorhaltigem Reinigungsmittel.

Ich habe den Geruch sehr positiv abgespeichert, da er mich an meine Zeit in New York erinnert - also ist Chlorgeruch immer auch der Duft von Freiheit und Urlaub.

Es wird langsam wieder ruhiger auf der Piazza, vielleicht auch nur, weil der Aufpasser des Caffès die jungen Menschen, die für den Haschischgeruch gesorgt haben eingenordet hat :-)

Ich vermisse die Hunde. An den anderen Abenden waren immer einige Hunde hier, die von ihren Besitzern frei laufen gelassen wurden und dann im Pulk über den Platz liefen und fröhlich (?) bellend jeden Neuankömmling begrüßten. Heute sind sie nicht da.

So, nun wird meine Sitzposition ungemütlich und es wird Zeit für mich zu gehen. Es war schön hier zu sitzen und mich in meiner neuen Komfortzone (Schreiben auf der Piazza) mehr und mehr auszubreiten.

Herzliche Grüße aus Florenz, und schön, dass Du immer noch dabei bist!

Katrin

P. S. Auflösung zur Campari Soda Preisänderung: Abends (ab 18 Uhr) kostet der Campari Soda tatsächlich 1€ mehr, 5€ statt 4€